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Recht / Zivilrecht 
Mittwoch, 07.06.2023

Anlagenkauf: Haftung eines Finanzdienstleisters für Pflichtverletzung im Rahmen der Anlagenvermittlung

Das Landgericht München I hat einen Finanzdienstleister zur Zahlung von 3 Millionen Euro Schadensersatz an eine Gemeinde in Baden-Württemberg aufgrund einer Pflichtverletzung wegen einer fehlerhaften Auskunft verurteilt (Az. 32 O 2905/22).

Die klagende Gemeinde hatte – vermittelt durch den beklagten Finanzdienstleister – mit einer Bank einen Vertrag über eine Festgeldanlage in Höhe von 3 Millionen Euro abgeschlossen. Der Finanzdienstleister hatte der Gemeinde eine Übersicht über in Betracht kommende Festgeldanlagen zur Verfügung gestellt, bei der die Bonität der emittierenden Bank mit A- angegeben war. Tatsächlich war die Bonität auf BBB+ herabgestuft worden. Über das Vermögen der Bank wurde am 16.03.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Geld war verloren, da es, was unstreitig bekannt war, keine Sicherheit über den Einlagensicherungsfonds gab. Die Gemeinde machte geltend, sie hätte bei Kenntnis des wahren Sachverhalts die Festgeldanlage nicht gezeichnet, sie sei zur Beachtung einer A-Bonität auch verpflichtet gewesen. Der Finanzdienstleister vertrat die Ansicht, ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien liege nicht vor. Er habe rein aufgrund eines Maklervertrags mit der Bank gehandelt, allein von dieser habe er auch Provision erhalten. Zwischen ihm und der Gemeinde sei weder ein Anlagevermittlungsvertrag noch ein Auskunftsvertrag zustande gekommen. Selbst wenn ein Schaden vorläge, sei dieser jedoch nicht auf die Fehlinformation über das Rating zurückzuführen, da dessen Verschlechterung lediglich geringfügig sei.

Das Gericht entschied, dass der Finanzdienstleister für seine fehlerhaften Angaben haftet. Zwar ergäben sich aus dem zwischen dem Finanzdienstleister und der Bank geschlossenen Maklervertrag grundsätzlich keine vertraglichen Pflichten des Finanzdienstleisters gegenüber der Gemeinde. Ferner könne im Maklervertrag kein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier der Gemeinde, gesehen werden, der einen Schadensersatzanspruch für die Klägerin rechtfertigen könnte. Auch bei Bestehen eines Maklervertrages könne aber zwischen dem Makler und dem Dritten ein weiteres, vom Maklervertrag unabhängiges Vertragsverhältnis, bestehen. Zwischen der Gemeinde und dem Finanzdienstleister sei insoweit konkludent ein Auskunftsvertrag im Rahmen der Anlagevermittlung geschlossen worden. Der Finanzdienstleister sei gegenüber der Gemeinde nämlich nicht nur als „Makler“, sondern unter der Bezeichnung „Finanzierungen/Anlagevermittlung“ aufgetreten. Er habe so als Vermittler für Finanzprodukte und darüber hinaus durch das Auftreten seiner Mitarbeiterin, als „Rating-Analyst (univ.)“ für sich besondere Sachkunde reklamiert. Die Gemeinde habe durch die Inanspruchnahme der Leistungen des Finanzdienstleisters deutlich gemacht, dass sie auf dessen besondere Sachkunde und seine Verbindungen vertraue. Damit sei zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis geschlossen worden.

Der Annahme eines Auskunftsvertrags stehe auch nicht entgegen, dass die Gemeinde selbst keine Zahlungen an den Finanzdienstleister geleistet habe. Es sei anerkannt, dass ein Anlagevermittlungsvertrag bzw. ein Auskunftsvertrag auch unentgeltlich geschlossen werden könne und bei Vermittlern auch regelmäßig unentgeltlich geschlossen werde. Die falsche Auskunft des Finanzdienstleisters sei auch ursächlich für den Anlagenkauf der Gemeinde gewesen. Diese hätte die fragliche Festgeldanlage nicht abgeschlossen, wenn sie zutreffend informiert worden wäre, dass die emittierende Bank tatsächlich nur über ein Rating von BBB+ verfügte. Dafür spreche im Rahmen eines Anlagevermittlungsvertrags für die Gemeinde die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Diese Vermutung habe der Finanzdienstleister nicht widerlegen können. Vielmehr habe die Gemeinde die Ursächlichkeit der fehlerhaften Auskunft für ihre Entscheidung nachweisen können.

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